Von der schiefen Ruine zum nachhaltigen Wohnerlebnis

Ein Blickfang war die Kattau-Mühle schon immer. In ihrer Gründerzeit, als Ruine und heute als denkmalgeschütztes und markantes Gebäude in der Buxtehuder Innenstadt, das ein ganz besonderes Wohngefühl ermöglicht. Aber der Reihe nach.

Als das Backsteingebäude der Mühle am Hafen 1914 fertiggestellt wurde, war es der modernste Kornspeicher Europas. 50 Jahre später begann der Zerfall. Seit den 1960er-Jahren wurde kaum mehr in den Erhalt investiert. Das Dach war undicht, die Fassade hatte mehrere Zentimeter breite Risse, Tauben bevölkerten das Dach. Das Gebäude geriet in extreme Schieflage.

Millimeter für Millimeter angehoben

Während die Giebelfassade an der Este auf Pfählen steht, ist der restliche Baukörper flach auf Torf gegründet und hat im Laufe der Jahrzehnte in Folge der Nutzlast von 5 t/m2 zu einem Gefälle innerhalb der Geschossebenen von rund 45 cm geführt! Mit dieser Schieflage war eine Wohnnutzung natürlich undenkbar. Für die Sanierung wurde das Gebäude komplett mit neuen Pfählen sowie einem aussteifenden Rahmen aus Stahl versehen. Anschliessend wurde das Mauerwerk im Bereich der alten Sohle horizontal durchgesägt. Dann folgte die Justierung dieses 5‘000 Kubikmeter Kolosses: Mit 145 hydraulischen Pressen wurde der fünfgeschossige Baukörper Millimeter für Millimeter horizontal ausnivelliert und auf die neue Pfahlgründung umgelastet. Dieser enorm aufwändige Prozess war Voraussetzung für die Sanierung der Bausubstanz.

Das ehemalige Silo wurde zum Treppenhaus

Das Gebäude ist über einen flutsicheren Zugang entlang eines neuen Vorbaus erschlossen. Wo früher Korn lagerte, steigt man heute die Treppe rauf und runter und bewundert alte Originalteile der Mühlentechnik. Im Erdgeschoss befinden sich Gewerbeflächen, in den oberen Geschossen Wohnungen. Damit der industrielle Charakter der Kattau-Mühle erhalten blieb, schenkten wir den Freisitzen besondere Aufmerksamkeit. Alle Freisitze wurden so entwickelt, dass sie sich fast unmerklich in das Gebäude integrieren.

Drei Wohnungen im ersten Geschoss erhielten Dachterrassen auf dem neuen Anbau. An die ehemaligen Ladeluken auf der Westseite wurden kleine Balkone aus Stahl angebaut. Auf der Ostseite wurde die Brandschutzwand durch Fenster und inwärts gebaute Loggien aufgebrochen. Auf dem Dach entstanden Dachterrassen und Studios, die etwas zurückversetzt sind und dadurch den äußeren Eindruck des denkmalgeschützten Gebäudes nicht verändern. Durch ausgefeilte bauphysikalische Untersuchungen wurde die energetische Ertüchtigung mit Innendämmung möglich, sodass das Gebäude heutigen Energiestandards genügt.

Wichtig war uns auch, dass die innere Tragstruktur aus Holz trotz Brandschutzanforderungen vollständig erhalten blieb. Das haben wir geschafft. Dadurch entsteht in allen Wohnungen ein Gefühl vom Wohnen im Industriedenkmal. Hier lebt man heute in hochindividuellen Wohnungen mit einem ganz eigenen Charakter.

Mit der Sanierung und Umnutzung der Kattau-Mühle haben wir ein besonders nachhaltiges Projekt realisiert. Wir konnten fast die gesamte Baustruktur erhalten und hochindividuelle Wohnungen mit eigenem Charakter schaffen. Ganz im Sinne von Upcycling und Cradle-to-Cradle entstand eine moderne Version eines Holz-Hybridgebäudes – allerdings mit altem Baumaterial. Wobei: alt heißt nicht verbraucht. Im Gegenteil.

Die Kattau-Mühle ermöglicht heute wohnen und arbeiten in einem Industriedenkmal. Weil wir den Ursprung sichtbar machten. Weil wir Bestehendes erhalten haben und durch Upcycling ein besonders nachhaltiges Projekt realisierten.

Zahlen und Fakten

  • Gebäudetyp

    Umgenutzter Getreidespeicher

  • Planung

    LP 1-9 (2011-2015)

  • Realisierung

    2015

  • Fläche

    2.640 qm BGF

  • Bauherr*innen

    GbR Kattau-Mühle

  • Generalübernehmer

    HBI - Hausbau-Immobiliengesellschaft mbH

  • Standort

    Estebrügger Strasse, Buxtehude

Auszeichnungen

  • Publikation - Braun Verlag

    When a factory becomes a home

  • Gewinner

    German Design Award 2018

  • Nominee

    Fritz-Höger Preis 2017

  • Magazinbeitrag

    db Metamorphose 2015 – Ausgabe 7/8

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